Reprint: Die Rumplhanni (mit Bonusmaterial)

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Beschreibung

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mit Bonusmaterial im Anhang: Erklärung altbairischer Begriffe! 

Rezension von Heike Arnold:

Einmal arme Magd, immer arme Magd? Nein, die junge Rumplhanni aus Öd will mehr. Sie will „a Haus, und a Kuah, und a Millisupperl in der Fruah“

Es geht schnell. Schon nach wenigen Zeilen bin ich mittendrin in einer Zeit und einer Welt, die mir eigentlich fremd sein müsste. Mit eindrucksvollen Worten nimmt mich die Erzählerin Lena Christ mit in die bäuerliche Welt der Rumplhanni, direkt hinein in Szenen, die sich am Abend des 5. August 1914 ereignen. Als würde ich von oben zuschauen, durchlebe ich mit der Hauptfigur Hanni diesen Abend, an dem die jungen Burschen von Öd sich von ihren Eltern, Großeltern, Freundinnen und Verlobten verabschieden, um in den Ersten Weltkrieg zu ziehen. Ich sehe sie vor mir, den Pauli, den Jackl und den Simmerl, die Resl, die Leni und die Hanni; die Düfte vom Abschiedsessen beim Ödnhuber-Wirt steigen mir in die Nase, und die zünftige Musik, lenkt ab von der Angst vor dem, was der Krieg mit sich bringen wird. −

Erzählt wird die Geschichte der Rumplhanni in bayerischer Mundart, eben auf die Art, wie bairisch gesprochen wird, wenn gewollt ist, dass auch Nichtbayern verstehen, worum es geht. Und das funktioniert erstaunlich gut.

Es dauert nicht lange, da weiß ich, dass es in Lena Christ‘s Erzählung um eine junge Frau geht, die sehnlichst raus will aus dem erbärmlichen Millieu, in das sie in den 1880er Jahren hineingeboren wird – und die nur zu gut weiß, dass ihr, der ungewollten Dirn, dies allein mit Fleiß und Geschick nicht gelingen kann. Es braucht dazu die Heirat mit einem begüterten Bauernsohn. So der Plan! Weil jedoch das Einheiraten in einen reichen Hof einfacher geplant als in die Tat umgesetzt ist, greift die Rumplhanni tief in die weibliche Trickkiste. So tief, dass ich sie einerseits bewundere, andererseits den Kopf schüttle über das, was das Mädel sich alles einfallen lässt, um ihr Ziel: „a Haus, a Kuah und a Millisupperl in da Fruah“ zu erreichen.

Immer wieder keimt Mitleid in mir auf mit der jungen Frau, die als Magd in der Landwirtschaft jener Zeit weniger wert ist als ein Stück Vieh und sich viel Demütigendes von ihren Herrschaften gefallen lassen muss. Doch das Mitleid kehrt sich in Distanz, wenn die Hanni versucht, egoistisch und rücksichtslos jeden Burschen um den Finger zu wickeln, teils nur so zum Spaß, um zu sehen, ob die Deppen auf ihren Flirt hereinfallen, teils weil einer der Burschen ja ein potenzieller Hochzeiter sein könnt.

Gehört sich das, Hanni? Ist das ok?

„So ein . . .!“

Wenn da nicht die nüchternen Schilderungen der Umstände wären, unter denen die Rumplhanni geboren und aufgewachsen, zur jungen Frau gereift und zur Magd auf dem Hauserhof geworden ist, und wenn es da nicht die Bilder in meinem Kopf gäbe von armseligsten Verhältnissen, in denen Dienstboten der damaligen Zeit haben leben und sterben müssen – immer wieder bin ich geneigt, der Hanni nicht mehr länger zuschauen zu wollen bei ihrem Treiben und auch die derben bairischen Dialoge will ich nicht mehr hören, die sie mit ihren Leuten führt.

Doch scheint es mir, als wolle die Erzählerin der Geschichte genau diese widersprüchlichen Emotionen in mir provozieren. Sie will, dass ich mich angewidert fühle von Szenen wie der, als die Rumplhanni eines Nachts versucht, den alten Hauser zu überreden, ihr einen Wisch zu unterschreiben, der ihr ein Leben als angesehene Frau an der Seite des jungen Hauserbauern bescheren würde.

(…) Herrgott, das Weibsbild hat eine Art und Weis, den Wildling im bravsten Menschen aufzuwecken . . .

     Der alte Hauser drückt die Hanni, einen Augenblick heftig an sich. „Ob dir i nixn tua, moanst? . . . No . . . balst es grad selm gern haben tatst . . . kunnts scho sei . . .“ (…) – – – Sie leidet es willig, dass seine Hand der aufsteigenden Hitze gehorcht; eng schmiegt sie sich an ihn (der zu viel getrunken hat), lacht, scherzt, schwatzt und peitscht seine Begierde auf dem ganzen Weg, bis sie endlich vor dem Häusl der alten Rumplwabn (Hanni’s Großmutter) stehen. (…) – – – (Drinnen) zieht (er) die Dirn auf den Truhensitz nieder. „Konnst mir a wenig schee tua?“ – Braucht di aa net z‘ reun!“ flüstert der Tropf; „was i dir Guats toa konn . . . dees tua i dir . . .“ (…)

Ihrem Ziel schon greifbar nahe, unterschätzt die Hanni den gestandenen Hauser und seine Bauernschläue. Selbst im Suff rafft er, dass ihn die Hanni mit dem Schrieb übers Ohr hauen und sich das Erbe seines Hofes mit einer erfundenen Geschichte erschleichen will. Ekel vor dem besoffenen, erregten Alten, gepaart mit einem ‚jetzt ist sie aber echt zu weit gegangen‘, machen es mir auch jetzt unmöglich, das Weiterlesen einzustellen. Unbedingt will ich jetzt wissen, wie die Sache für die Rumplhanni ausgeht.

Und so fahre ich mit ihr in der Bahn der Großstadt München entgegen, wo es sie hinzieht, nachdem sie sich von ihrer Idee, einmal Hauserbäuerin von Öd werden zu wollen, endgültig verabschiedet hat.

In der Münchnerstadt findet sich die Hanni wieder zwischen dem Glanz der Innenstadt und den erbärmlichen Verhältnissen des frühen Industriezeitalters an der Peripherie, die für die dort Lebenden noch schlimmer gewesen sein müssen als das harte Los der Dienstboten auf dem Land. Und allmählich, während ich mich mit ihr an dieses Milieu im winzigen neuen „Hoamatl“ in der Münchner Au gewöhne, gewinnt das Verständnis für das Denken und Handeln der Rumplhanni Oberhand gegenüber „moralischen Grundsätzen“. Die kann sie sich unter den miesen Bedingungen schlicht nicht leisten. Mit jeder Buchseite lerne ich die Hanni besser kennen und ihre guten Seiten sehen, die insbesondere dann zum Vorschein kommen, wenn es darum geht, anderen aus einer Not zu helfen.

Am Ende ihrer Achterbahnfahrt, als sie ihr Ziel: „a Haus, a Kuah und a Millisupperl in der Fruah“ dann doch noch auf Umwegen erreicht, bin ich mit der Rumplhanni versöhnt. Ihrem Hochzeiter Hans hat sie nichts vorgemacht. Und sie hat für ihren sozialen Aufstieg stets hart und gut gearbeitet.—#

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